Montag, 30. Januar 2012

Fazit

Die Geschichte von Pu Yi gibt einen sehr spannenden und packenden Einblick in die jüngere Geschichte Chinas.

Das Buch umfasst rund 450 Seiten und ist somit relativ lang, zudem ist die Schriftgrösse relativ klein im Deutschen Taschenbuch Verlag und dadurch schwer zu lesen.
Am Anfang des Buches verzweifelte ich beinahe an all den ähnlich aussehenden Familien- und Vornamen, und dies obwohl es hinten im Buch eine Liste mit den wichtigsten Namen gibt. Ich merkte jedoch schnell, dass es nicht wichtig für die Geschichte war, alle Personen genau zu kennen.
Das Buch ist in relativ einfachem Deutsch geschrieben, was unglaublich hilft.  Was mir ebenfalls gefiel, waren die vielen kleinen Unterkapitel von ungefähr 8-16 Seiten, so konnte ich mir immer ein Ziel setzen und mich so Schrittweise vorwärtsbewegen.
Der Aufbau ist sehr simpel gehalten und beginnt bei Pu Yi’s Geburt und endet mit seinem Leben nach dem Gefängnis. Richard Schirach fügte dann noch  ein Nachwort an, das vom weiteren Leben Pu Yis in der Freiheit und seinem Tod handelt.
Ich kann das Buch jedem nur empfehlen, da es überaus interessante Einblicke in eine, für uns, fremde Kultur und Geschichte gibt. Wenn man nicht so gerne liest, kann man aber auch den oscar-prämierten Film schauen, der ebenfalls sehr mitreissend gedreht wurde.

Samstag, 28. Januar 2012

"Der Letzte Kaiser" von Bertolucci - Die Verfilmung


Im Jahr 1964 erschien in China die erste Ausgabe von Pu Yi‘s Autobiographie unter dem chinesischen Titel: „Wo-ti ch’ein-pan sheng“. Bereits 9 Jahre später wurde die erste deutsche Fassung veröffentlicht. Sie wurden sehr schnell zum Bestseller.
Während sich seine Bücher unglaublich gut verkauften, kämpfte Pu Yi aber mit grossen Problemen. 1965 wurde er zwei Mal wegen Krebs operiert. In den darauf folgenden Jahren baute der ehemalige Kaiser körperlich und seelisch unglaublich ab. Am 4. Oktober 1967 wurde er notfallmässig in die Krankenstation gebracht und am 17. Oktober starb Pu Yi dann an Nierenkrebs.
20 Jahre nach Pu Yi’s Tod begannen die Dreharbeiten zur Verfilmung seines Lebens. Der Film basiert auf der Autobiographie und um alles noch echter und lebensnaher verfilmen zu können, bekam Bertolucci, ein berühmter italienischer Filmregisseur, Hilfe von Pu Yi’s Bruder Pu Dschiä. Der Film wurde grösstenteils in der Verbotenen Stadt gedreht.

Der Film fängt mit Pu Yi‘s Zugfahrt von der UdSSR zurück nach China an. Die Verfilmung ist sehr spannend aufgebaut, da immer wieder Einschnitte aus seiner Kindheit eingefügt wurden. Aus meiner Sicht wird unglaublich gut aufgezeigt, mit welchen Problemen der junge Kaiser zu kämpfen hatte und was ihm alles verwehrt geblieben war.
Viele Lebensabschnitte wurden sehr geschickt und spannend in den Film eingebaut, wie z.B. seine Kindheit und seine Flucht. Was jedoch nicht aus seiner Autobiographie übernommen wurde, sondern erfunden oder von Pu Dschiä eingebaut wurde, war der Selbstmordversuch von Pu Yi. Wieso wurde es im Film so dargestellt, als ob sich Pu Yi umbringen wollte? Ich bin der Meinung, dass die Freiheit eines Filmemachers nicht so weit gehen dürfte. Oder gibt es vielleicht eine andere Begründung? Hat Pu Yi diesen Vorfall etwa vergessen wollen und ihn deshalb in seiner Biographie nicht erwähnt? Diese Frage bleibt unbeantwortet, denn es gibt nirgends Anhaltspunkte, die dieses Geheimnis lüften könten.
Ich habe den Film mit meiner Mutter angeschaut, weil ich herausfinden wollte, ob man die Handlungen auch verstehen kann ohne das Buch vorher gelesen zu haben. Wir hatten das Gefühl, dass es besser ist, wenn man das Buch studiert hat und somit die Stationen in Pu Yi’s Leben schon kennt, denn nur so versteht man auch alle Handlungen und Aktionen aus dem Film. Die Gefangenschaft in China zieht sich wie ein roter Faden durch den Film, der immer wieder durch Rückblicke und Erinnerungen unterbrochen wird.

Der Film war überaus erfolgreich und  gewann 9 Oscars und 4 Golden Globes. Ich kann den Film jedem nur wärmstens empfehlen, da er sehr packend aufgebaut ist und man viel über die jüngere chinesische Geschichte lernen kann.

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Quelle: http://en.wikipedia.org/wiki/The_Last_Emperor

Dienstag, 24. Januar 2012

Begnadigung und sein "Neues Leben"

Im Jahr 1956 wurden die ersten Häftlinge entlassen, unter ihnen auch 2 Neffen von Pu Yi. Er selber rechnete schon lange nicht mehr damit, jemals das Gefängnis verlassen und als freier Mensch leben zu dürfen. Aus diesem Grund spendete er der Volksrepublik auch seine ganzen Kostbarkeiten, die er ja für die Zeit in der Freiheit aufbewahrt hatte. Auch wenn er schrieb, er habe die Hoffnung, Peking jemals wieder zu sehen, aufgegeben, war ich mir sicher, dass er im Innersten doch noch ein bisschen Hoffnung hegte. Er versuchte weiterhin ein vorbildlicher Häftling zu sein und spielte sogar in einem Theaterstück mit und war, laut eigener Aussage, einer der fleissigsten Insassen. Zudem ermöglichte ihm eine neue Aufgabenteilung, im Krankenzimmer zu helfen, wodurch er Gefallen an der Medizin fand. Von da an war es sein Traum Arzt zu werden. Für dieses Ziel studierte er dutzende Bücher.
Am 14.September 1959 stellte Mao Tse-tung, Vorsitzender des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Chinas, den Antrag an den Nationalen Volkskongress, wonach einige Kriegsverbrecher, aus Anlass der Zehnjahresfeier der Gründung der Nation der Grossen Volksrepublik China, begnadigt werden sollte. Als diese erfreuliche Botschaft im Gefängnis von Fuschun ankam, löste es einenFreudentaumel aus. Der einzige, der sich zurückhielt, war Pu Yi. Er schätzte seine Chancen sehr schlecht ein, frei zukommen. Und dies aus gutem Grund, denn in welchem anderen Land überlebten Herrscher, die Kriegsverbrechen und Hochverrat am eigenen Land begangen hatten, eine Revolution? Ich teile die Ansicht von Pu Yi, dass er glücklich sein konnte noch am Leben zu sein.
Doch es kam alles ganz anders. Als die Häftlinge zu einer Versammlung in die grosse Halle gerufen wurden, stand auf einem Schriftband: „Fuschun Kriegsverbrechergefängnis Gnadenversammlung“. Alle setzten sich. Nach einer kurzen Einleitung rief der Direktor: „Aisin Gioro Pu Yi“. Er schrak auf und ging nach vorne. Er bekam ein Schriftstück ausgehändigt, auf dem stand: „Bekanntmachung des Gnadenerlasses des Obersten Volksgerichts der Volksrepublik China.“ Pu Yi konnte es kaum fassen und brach in Tränen aus. Er kam tatsächlich frei, nach über 10 Jahren hinter Gitter. Ich denke, auch wenn einiges doch gegen eine Begnadigung, vor allem schon nach 10 Jahren, sprach, gab es doch Anzeichen dafür. Weshalb wollte die Regierung sonst, dass sich Pu Yi reformierte und die Ideologien des Kommunismus studierte?
Bereits 5 Tage nach seiner Begnadigung traf Pu Yi traf er in Peking ein, wo er auf seine Neffen und andere Verwandte traf. Alles war neu für ihn, deshalb gab es während dieser Zeit viele „Zum-Ersten-Mal-Erlebnisse“, wie zum Beispiel, als er zum Friseur ging und dort einen Haartrockner sah, - einen Gegenstand, den er vorher noch nie zu Gesicht bekommen hatte. Aber auch das freie, eigenständige Spazieren auf dem Tiän An Men Platz war für ihn ein neues und ungewohntes Erlebnis. Alles, was für uns „normale“ Menschen alltäglich ist, war ihm nicht nur im Gefängnis sondern auch während seiner Zeit als Kaiser verwehrt geblieben, sodass er vieles erst mit 54 Jahren zum ersten Mal sah oder tat.
Wenige Wochen später kehrte er mit einigen ehemaligen Mitinsassen in die Verbotene Stadt zurück und war erstaunt aus welchem Glanz sie erstrahlte; alles war farbenfroh und neu, so wie er sich die Verbotene Stadt immer vorgestellt hatte. Dies zumindest war mein Eindruck.
Am 26. November 1960 bekam Aisin Gioro Pu Yi seinen Stimmausweis, den er selber als das Wertvollste betitelte, das er je besessen hatte. Ich habe das Gefühl, dass dieser Stimmausweis für ihn wie ein Beweis für seinen Wandel war und dass er sich jetzt nicht nur als Chinese fühlte, sondern auch einen Zeugnis dafür hatte.
Im Jahr 1961 wurde Pu Yi von der Regierung als Literatur- und Geschichtsforscher eingestellt. Seine Arbeit bestand in der Forschung und Aufarbeitung von literarischem und historischem Material. Er schrieb, dass er durch diese Arbeit viele Informationen für seine Autobiographie fand. Denn in den Jahren nach der Gefangenschaft wollte Pu Yi wohl endgültig mit der Vergangenheit abschliessen und somit alle Lügen, die er bis dahin mit sich trug, niederschreiben. Ich denke, dass das Verfassen dieses Buches ihm half die Vergangenheit zu verarbeiten, denn er beendete das Buch mit dem Absatz: „Das ist das neue Kapitel: Mein Heim, der Stimmausweis, die grenzenlose Aussicht, die vor mir liegen, werden mir täglich vor Augen führen, wie ich dieses Neue Leben gewann.“

Montag, 23. Januar 2012

Pu Yi's Wandel


Pu Yi war bereits über 5 Jahre im Gefängnis, als er zum ersten Mal mit sich zufrieden war und von anderen Häftlingen sogar für seine Fortschritte gelobt wurde. Tatsächlich erzählt Pu Yi, wie er sich zwar weiterhin langsam aber doch immer besser alleine zurechtfand und seine Wäsche inzwischen sogar gleich schnell erledigt hatte wie die anderen Insassen. Auch in anderen Aktivitäten, bei denen er bislang ganze Arbeitsgruppen durch sein unbeholfenes und langsames Arbeiten aufgehalten hatte, wurde er immer mehr zu einer wichtigen Person. Gleichzeitig stieg sein Selbstvertrauen massiv und er konnte zum ersten Mal seit Jahren wieder ruhig schlafen.
Doch immer wieder gab es Kritikpunkte der Gefängnisleitung oder Konfrontationen mit anderen Häftlingen, die ihn wieder auf den Boden zurückholten. Immer öfters zitiert er Ratschläge, die ihm von verschiedenen Leuten auf den Weg gegeben wurden. Ein Kritikpunkt, der mir besonders im Gedächtnis blieb, ist folgender Satz vom Direktor: „Der Zweite Weltkrieg hat aus dir, dem Kaiser, einen Gefangenen werden lassen. Nun kommt für deine Gedankenwelt ein weiterer grosser Krieg, und dieser Krieg wird aus dem Kaiser einen gewöhnlichen Arbeiter machen. Du hast schon die Erfahrung machen können, dass ein Kaiser wirklich nichts ist, trotzdem ist der Krieg noch nicht zu Ende, weil du dich selbst noch immer für etwas anderes hältst als die Übrigen. Du musst dir über dich selbst klarwerden!“ Kurz: Pu Yi führte sich auch nach 5 Jahren immer noch wie etwas Besseres auf und hatte sich immer noch nicht vollkommen an das einfache Leben gewöhnt. Dies fiel mir bereits beim Lesen immer wieder auf, da er öfters in etwas hochnäsiger Art und Weise anderen Insassen antwortete und zeitweise erstaunt war, wenn man ihn Pu nannte. Zudem schrieb er, dass er regelmässig von Mitgefangenen blossgestellt wurde, da er oft nach dem Waschen vergass den Wasserhahn zuzudrehen oder die Tür hinter sich wieder zu schliessen. Das waren alles Dinge, die seine Eunuchen und andere Diener viele Jahre lang für ihn erledigt hatten.
Nach 7 Jahren in Haft bekamen die Häftlinge zum ersten Mal die Gelegenheit Verwandte zu sehen und zu sprechen. Pu Yi war zu Tränen gerührt, als er seinen Onkel und andere Verwandte sah. Sie berichteten ihm, dass es ihnen draussen in der „Neuen Gesellschaft“ prächtig ging und sie sogar in kommunistischen Jugendverbänden oder der kommunistischen Partei beigetreten waren. Dies zeigte Pu Yi, dass sich alles um ihn herum im Wandel befand. Dass veranlasste ihn wohl noch härter an sich zu arbeiten.
Wie bereits gesagt, war man der Ansicht, dass eine Person nur ein „neuer Mensch“ werden konnte, wenn sie mit ihrer eigenen Vergangenheit im Einklang stand - und dies  versuchte Pu Yi.  Zu der Zeit, als das „Neue China“ nicht nur militärische Siege einfahren konnte sondern auch wirtschaftlich einen rasanten Aufschwung erlebte, fühlte Pu Yi eine Art Stolz Chinese zu sein. Bisher hatte er ja persönlich nicht sehr viel mit der einfachen chinesischen Bevölkerung zu tun gehabt, da er die meiste Zeit hinter irgendwelchen Palastmauern lebte. Und durch dieses „neue China“,  betrachtete Pu Yi zum ersten Mal seine Politik und die der Kaiser vor ihm als schwach. Nicht nur war man der restlichen Welt in vielen Dingen unterlegen, nein, man wurde sogar, wie er jetzt sagte, von den Ausländer gedemütigt. Jahrelang liessen er und Tze Hsi es zu, dass Ausländern bewaffnet in China einmarschierten, plünderten, töteten und brandschatzten. Er sagt sogar, das chinesische Volk wurde zu Sklaven gemacht! Plötzlich schämte er sich für diese Zeit und ich glaube, dies war der Augenblick, in dem Pu Yi anfing den Kommunismus nicht nur zu verstehen sondern auch hinter dessen Ideologie zu stehen. Er zieht dabei den Vergleich zwischen den 109 Jahren vor der Gründung der Volksrepublik China und den Jahren seit der Revolution, und da erkennt er, dass es dem Volk um einiges besser geht dank dem Kommunismus.
Dies gab ihm enorm Elan: Er wurde zu einem der besten Arbeiter im Gefängnis und wollte sogar Hilfsarzt werden, weshalb er fleissig Medizinbücher studierte. Nun war er endlich der Ansicht, dass er womöglich doch lebend aus der Haft entlassen werden würde.
Zum Schluss noch ein Punkt, der mich ungemein verwundert hat: Pu Yi beschreibt, wie der Gefängnisdirektor und andere Beamte, den Häftlingen beim Transport von Kohle halfen. So etwas wäre heutzutage in vielen Ländern undenkbar

Sonntag, 22. Januar 2012

„Ich hasse meine eigene Unfähigkeit“


Pu Yi versucht sich während seiner Zeit im Gefängnis
in Handarbeit
Auch nach über 3 Jahren in Gefangenschaft war Pu Yi in vielen Arbeiten unfähig, sie ohne die Hilfe anderer zu erledigten. So z.B. brauchte er weiterhin Hilfe beim Zellendienst usw. Ich hatte eigentlich schon früher damit gerechnet, dass viele seiner ex-Minister und gewisse Verwandte anfangen würden, sich gegen ihn zu stellen. Anfangs haben sie zwar in Sachen Kriegsverbrechen gegenüber der Gefängnisleitung noch dicht gehalten, doch sie gingen Pu Yi vermehrt aus dem Weg, sodass er sich immer öfters alleingelassen vorkam.
Was das Ganze noch schlimmer machte war, dass der ehemalige Kaiser immer wieder öffentlich blossgestellt wurde, sogar von seinen Neffen.
Als er einmal mehrere Wochen lang krank im Bett lag, hatte er Zeit über seine Vergangenheit nachzudenken und zum ersten Mal schrieb er über all die Gräueltaten der Japaner, über die er jahrelang hinweggesehen hatte. Beim Lesen spürte ich eine Art Reue, die ich zuvor von Pu Yi nie gespürt hatte. Es kam mir vor, als würde er wünschen alles rückgängig machen zu können. Er fing also an die Japaner zu verachten, für all das Abscheuliche, das sie seinem Volk und nun auch ihm selber angetan hatten.
Weil die Gefängnisleitung immer wieder betonte, dass die Kommunisten jenen Personen vergeben würden, die aus eigenem Willen geständig wären, die Personen jedoch hart bestrafen würden, die die Wahrheit verleugneten, kam Pu Yi zum Entschluss in einem Brief alle seine Verbrechen offen zulegen. Was ich persönlich für unglaublich kühn halte, denn er hat nicht nur Hochverrat am Vaterland begangen, sondern hielt es jahrelang nicht für nötig darüber zu reden. Aber genau das wollte ja die „Neue chinesische Regierung“, denn das war für sie ein Schritt in die richtige Richtung, wenn man seine eigenen Taten verabscheut.
Was mich jedoch am meisten verwunderte, waren die Zeilen, in denen er schrieb, dass er zum ersten Mal in seinem Leben über seine Erziehung durch die Kaiserinwitwe und seine Mütter nachdachte, und darüber unglücklich schien. Er fragte sich, warum gerade er zum Kaiser ernannt wurde und nicht einer seiner Brüder. Er konnte nicht begreifen, weshalb man ihm keinerlei praktische Kenntnisse beibrachte. Er fühlte sich wie ein unfähiger Ignorant. Er schob die Schuld, weshalb er im Gefängnis von der Umgebung schlecht behandelt wurde, auf seine Erziehung durch Tze Hsi ab. Im Jahr 1953 schrie er während einer Versammlung: „Ich hasse den Ort, wo ich aufgewachsen bin! Ich hasse jenes ganze verruchte System!“ Dies zeugt für mich von seinem Wandel, denn zum ersten Mal war er ehrlich mit sich selbst und erfand keine Ausreden mehr.
Im Jahr 1954 wurde ihm ein Stapel von Aussagen von anderen Insassen vorgelegt, die ihr Versprechen, niemandem von der Zeit in Mandschuguo und von der Zusammenarbeit mit den Japanern, gebrochen hatten. Pu Yi musste die Anschuldigungen und Geschichten durchlesen und diejenigen unterschreiben, die er als wahr ansah. Die Geschichten reichten von der Zeit in der Verbotenen Stadt, wo er seine Eunuchen foltern liess, bis zu seiner Zeit als Kaiser von Mandschuguo, und seiner geheimen Zusammenarbeit mit den Japanern. Obwohl Pu Yi alle unterschrieb, hatte ich das Gefühl, dass er nicht unglücklich darüber war, dass bald alles ans Licht kommen würde, da er ja nun bereits jahrelang mit der Angst gelebt hatte, die Kommunisten würden ihn foltern oder töten.
Eine weitere Situation, bei der ich merkte, dass Pu Yi ein schlechtes Gewissen hatte, war, als er zu einem Verhör gebeten wurde und sich ausmalte dort gefoltert und geschlagen zu werden, so wie er es früher mit seinen Eunuchen und Dienern getan hatte, wenn er die Wahrheit aus ihnen prügeln wollte. Doch es kam ganz anders. Wie bereits in den vergangenen Jahren wurde er nie geschlagen oder von der Gefängnisleitung oder den Regierungsbeamten beschimpft. Er merkte nun, dass man auch durch Vergebung und nettes Verhalten den Gefangenen und Unterstellten gegenüber zur Wahrheit kommen konnte. Er fühlte sich wieder schlecht für die Taten, die er seinen Dienern dazumal angetan hatte.
Ein weiterer Gedanke, der mich immer öfters verfolgt, ist die Tatsache, dass Pu Yi noch nie etwas Schlechtes über den Kommunismus geschrieben hat. Er schreibt immer nur vom zuvorkommenden Verhalten ihm gegenüber, vom Sieg gegen die Amerikaner und wie sie das chinesische Volk von den Japanern befreiten. Ich kann mir nur schlecht vorstellen, dass er wirklich so über das „Neue China“ dachte, auch wenn sie ihn bisher verschonten und am Leben liessen. Wurde er auf seine alten Tage hin doch noch ein Kommunist oder wurde er von der Regierung zu diesem Buch unter Druck gestellt und musste den Kommunismus in ein gutes Licht stellen?
Ich hoffe die letzten Seiten werden diese Frage beantworten.

Samstag, 21. Januar 2012

Zeit hinter Gitter und Pu Yi's neue Erfahrungen

Wie bereits erwähnt, wurde Pu Yi während seinem Gefängnissaufenthalt in der UdSSR sehr gut behandelt und versorgt. Er selber war sich ja sicher, er würde nie mehr chinesischen Boden lebend betreten können, doch es kam anders.
Die Gefängnisleitung  im chinesischen Gefängnis  gab den Insassen, wie auch in der Sowjetunion, Bücher und Zeitungen zum Studieren und liess sie sogar Radio hören. Pu Yi und die anderen Gefangenen wussten nie, weshalb man sie zum Studieren bringen wollte. Sie waren ja der Ansicht, dass sie früher oder später hingerichtet würden. Deshalb verzichteten viele auf intensives Studieren der kommunistischen Bücher. Zuerst war ich mir nicht sicher, wieso man Pu Yi die kommunistische Denkweise eintrichtern wollte. Erst als Pu Yi im Buch einen Regierungsbeamten zitiert, der den Häftlingen zu erklären versuchte, wieso die Regierung wollte, dass sie sich bildeten, wurde mir klar, dass es dem „Neuen China“ an fähigen Leuten fehlte, die das Land führen konnten. Deshalb wurde alles unternommen um Pu Yi und seine ex-Minister vom Kommunismus zu überzeugen. Pu Yi konnte jedoch weiterhin nicht viel mit den Büchern und Zeitschriften anfangen, da er sich, wie er selber zugab, nie wirklich für Politik interessierte. Er wollte aber bei der Regierung Eindruck schinden, in der Hoffnung vielleicht doch eines Tages frei zu kommen, und las deswegen die Bücher trotzdem.
Für mich war von diesem Moment an klar, dass die Regierung nicht vorhatte Pu Yi zu töten, denn wieso sollte er sich sonst weiterbilden?
Auf Rat seines Schulungsleiters hin, verfasste Pu Yi während seines Aufenthalts im Gefängniss von Harbin seine erste Autobiografie. Denn der Schulungsleiter war der Ansicht, ein Mensch müsse zuerst die Vergangenheit verstehen und über die eigene Geschichte nachdenken, bevor er sich ändern oder reformieren kann.
Pu Yi, der immer noch unter Wahnvorstellungen litt und in Angst lebte, sah darin nur einen Versuch der Regierung, die wahren Hintergründe seiner Zusammenarbeit mit den Japanern herauszufinden. Deshalb verharrte er auf seiner Geschichte von der Erpressung durch die Japaner. Ich denke jedoch nicht, dass dies der Grund für diesen Auftrag war, denn wenn die Regierung Pu Yi hätte überführen oder umbringen wollen, hätten sie es wohl bereits getan. Ich glaube wirklich, dass man Pu Yi wieder in die Regierung einbringen wollte. Er zitiert sogar einen Abschnitt aus der Autobiografie, in der er schreibt, dass er die Not und das Elend des Volkes kaum mit ansehen konnte und dass es ihn schmerzte, dass er nichts dagegen unternehmen konnte. Also eigentlich eine reine Lüge, und so wie ich dieses Zitat deute, findet er diese Zeilen jetzt sogar lächerlich und kann selber kaum glauben, so etwas geschrieben zu haben.

Ein anderer Aspekt, der mich zwar nicht überrascht jedoch trotzdem schockiert hat, ist, dass Pu Yi, laut eigener Aussage, unfähig war für sich selber zu sorgen. In den ersten Wochen seiner Gefangenschaf in China durfte er noch mit seinen Neffen und anderen Verwandten, die ihm wie Diener dienten, in einer Zelle leben. Doch dann wurde er in eine andere Zelle gebracht und war auf sich allein gestellt. Dadurch, dass er nie Waschen gelernt hatte, lief er stets mit den dreckigsten Kleidern herum und sah so ungepflegt aus, dass er sogar öffentlich vom Gefängnisleiter blossgestellt wurde. Später bekam er den Rat, dass nur die Menschen, die aus den Vorzügen anderer zu lernen vermögen, selber Fortschritte erzielen können. In den folgenden Tagen versuchte er vieles von seinen Mithäftlingen zu lernen, so dass er mit der Zeit gewisse Dinge wie ein normaler Mensch tun konnte. Er wurde sogar für den Zellendienst (Boden schrubben, Essen servieren usw.) eingeteilt und diente zum ersten Mal in seinem Leben anderen Menschen.
Zudem viel mir auf, dass die Wärter und Mitgefangenen anfingen Pu Yi zu duzen, was für ihn sicherlich auch etwas ganz Neues war. So wurde er zu dieser Zeit zum ersten Mal Pu Yi genannt, was für ihn anfänglich beleidigend war, doch er gewöhnte sich schnell daran. Zuerst war ich mir sicher, dass man ihn nun zum ersten Mal in seinem Leben wie einen „normalen“ Menschen behandelte. Doch weit gefehlt. Zwar wurde er von seinen ex-Ministern und Wärtern nicht mehr wie ein Kaiser angesprochen, doch zeigten sich weiterhin kleine Bevorteilungen. Er bekam z.B. den bevorzugten und besten Platz in einer Zelle (im Winter nahe an der Heizung, im Sommer beim Fenster), als er umziehen musste.
Er wurde also doch noch wie etwas Besonderes angesehen und dies war ihm mehr als recht, denn er war ja im Alltag vor allem auf die Hilfe seiner Neffen und anderen Insassen angewiesen.

Freitag, 20. Januar 2012

Pu Yi's Angst um sein Leben


Während des 2. Weltkrieges arbeitete Pu Yi eng mit den Japanern zusammen und wurde sogar zum Kaiser von Mandschukuo, einer Region, die unter der Kontrolle der Japaner stand.  Ich nehme an, dass er gerne mit den Japanern kooperierte, da er eine extreme Abscheu gegen die Kommunisten hegte. Was natürlich verständlich ist, da er ja von ihnen vom Thron gestürzt worden war. Im Jahr 1942 begannen die Japaner ihre grossen Säuberungskampagnen in Nord- und Zentralchina, Sie wurden von Pu Yi unterstützt, was jedoch nicht vielen klar war, da er gleichzeitig auch mit den Kommunisten in Verbindung stand. Später wird er versuchen seine Beziehung zu den Japanern zu verleugnen.
Nach der Kapitulation Japans wurden die Probleme von Pu Yi sehr gross. Am 9. August 1945 erfolgte dann der grosse Zusammenbruch der japanischen Macht in Asien, doch Pu Yi entschied noch 2 Tage mit Flucht zu warten und am 11. August 1945 machte er sich dann auf den Weg nach Talitzukou. Die Japaner berichteten ihm weiterhin von Siegen, und dass sie kurz vor einem Sieg stünden.
Zwei Tage nach Pu Yi’s Ankunft in Talitzukou kapitulierte Japan. Die Japaner wollten Pu Yi helfen nach Japan zu flüchten, wo man für seine Sicherheit sorgen würde. Am 17. August 1945 sollte der Kaiser nach Japan gebracht werden. Pu Yi und gewisse Verwandte flogen nach Mukden, wo sie hätten umsteigen sollen, doch als sie da ankamen, wurden sie augenblicklich von Sowjetischen Truppen umstellt.
Bereits einen Tag darauf wurde Pu Yi in die UdSSR gebracht. In Cita und Chabarowsk verbrachte er mit seinen Brüdern und Schwestern und gewissen ex-Ministern die nächsten 5 Jahren. Entgegen der allgemeinen Annahme, wurden sie sehr gut behandelt, was vor allem bei Pu Yi Fragen aufwarf. Würde er je wieder nach China gehen dürfen/müssen?! Ich habe das Gefühl, dass Pu Yi Angst hatte, zurück nach China gebracht zu werden. Er überlegt sich ständig, wie lange er wohl mit seinen Kunstschätzen, die er noch besass, in Europa oder Amerika überleben könnte. Er sah sich selber als Kriegsverbrecher, da er sein eigenes Land verraten hatte. Er zählte bereits die Tage bis zu seinem Tod, denn er war sich mehr als sicher, dass er früher oder später die Todesstrafe erhalten würde. Er richtete sogar 3 Eingaben an die sowjetische Behörde und bat um Erlaubnis, für immer in der Sowjetunion bleiben zu dürfen.
Vor dem Internationalen Militärgerichtshof für den Fernen Osten, verleugnete er seine Zusammenarbeit mit den Japanern, sagte sogar, man hätte ihn zur Kooperation gedrängt. Er hoffte wohl, seine eigene Haut damit retten zu können, was er im Moment auch schaffte. Doch ein amerikanischer Anwalt sagte: „Jetzt schieben Sie alles den Japanern in die Schuhe, aber früher oder später wird Sie die chinesische Regierung selbst für Ihre Verbrechen zur Rechenschaft ziehen.“ Von diesem Moment an, denke ich, hatte Pu Yi noch mehr Angst vor einer Rückkehr nach China, was verständlich ist.
Am 31. Juli 1950 war es dann soweit: Pu YI und die restlichen „Kriegsverbrecher“ wurden noch China gebracht. Im Zug von der UdSSR nach China waren alle überzeugt in den sicheren Tod zu fahren. Beim Lesen hatte ich das Gefühl, dass viele seiner Brüder und ex-Ministern unter Paranoia litten, sie schliefen kaum und hatten die ganze Zeit das Gefühl jemand würde sie gleich umlegen.
Pu Yi war sich sicher, dass die Kommunisten ihn hassen würden und deshalb auf Rache aus waren. Zu diesem Zeitpunkt war Pu Yi gerade mal 40 Jahre alt. In China wurden sie in ein Gefängnis gebracht, wo sie wider Erwarten gut behandelt wurden.
Dies war für mich sehr erstaunlich, vor allem wenn man sieht wie heute Anti-Kommunismus-Anhänger behandelt werden. Sie mussten zwar ihre Wertsachen abgeben, doch sie  bekamen im Gegenzug eine Quittung, zudem wurden sie sehr gut bekocht und bekamen sogar Zigaretten. Es kam mir sogar so vor, als würde man versuchen Pu Yi vom Kommunismus zu überzeugen, durch die gute Behandlung und dadurch, dass Pu Yi und den anderen Gefangenen Bücher über den Kommunismus zum Studieren gegeben wurden. Doch Pu Yi blieb bisher seiner Meinung vom Kommunismus treu.